Auf den vielfarbigen Mosaikmustern der Marmorb?den schlurfte widerwillig ein Trupp neuer Gefangener entlang. Darunter waren einige Adelige und auch Vertreter der Inquisition zu erkennen. Zuerst registrierte sie der Bursche gar nicht, da er im Geiste immer noch mit seinem Anliegen an August besch?ftigt war, welches er aus Feigheit ohnehin nicht anbringen würde. Dann fing sein Gehirn an zu schalten und er blickte ihnen in Schockstarre nach. Er riss sich zusammen und rannte hinüber zu dem Zug an Menschen, die gerade hereingeführt wurden. ?Stopp!“, rief er den Soldaten zu, die ihn kurz anschauten und bei der Realisierung, dass es der Erkorene war, der sie beordert hatte, den Gefangenenzug zum Stillstand brachten. Was hatte denn pl?tzlich die Tatkraft und wenigstens ein wenig mehr Mumm in Wenzel erweckt, m?chte man hier nun wissen? Die Festgenommenen schauten herüber in zwei von ihnen wussten genau, wer er war. Bertold und Hildegard, seine Adoptiveltern, schaute ihm ungl?ubig entgegen, verloren aber kein Wort.
Der Magier wusste nicht genau, was er tun sollte. Auf keinen Fall konnte er die beiden hier sterben lassen! Er drehte sich etwas wirr um und blickte hinter sich, wo seine Leibw?chter, August und ein paar andere Soldaten standen und ihn anblickten. Mit einer Hand in der Hosentasche und der anderen seine Brille wieder nach oben schiebend schaute ihm August fragend entgegen. Wenzel überlegte kurz und sagte ihm dann: ?Diese beiden hier! Ich will, dass sie in einen eigenen Raum gebracht werden. Ich will sie pers?nlich befragen.“ Etwas überrascht die Augenbrauen hebend, warf der Stabschef einen Blick zu seinen Eltern hinüber und erkundigte sich: ?Meinst du die beiden?“ – ?Ja“, kam seine kurze Antwort. ?Okay. M?nner, schafft die zwei hier in das Zimmer am Ende des linken Gangs“, gab August seinen Soldaten den Befehl. Gesagt, getan. Sie gingen in einen eigenen Raum und schlossen die Türe hinter sich. Doch zu Wenzels Missfallen hatten ihn August, Brahm und Ferenc hierher begleitet. Sie waren offenbar auch interessiert daran, was es mit diesen Leuten auf sich hatte.
Dann blickte er auf die beiden hin, welche sich auf zwei der Stühle, die hier im Raum standen, platziert hatten. Sie sahen genauso stolz wie eh und je aus, trotz der Lage, in der sie sich befanden. Unser Zauberer blieb stehen, doch war er von Nervosit?t gel?hmt. Seine Adoptiveltern starrten ihn auch nur an, ohne etwas zu sagen. Es war eine sehr gespannte, seltsame Situation, in der sich alle Beteiligten hier befanden. Was konnte man oder was sollte man nach all dem, was passiert war, sagen? Die zwei Adeligen trugen edle Kleider, die aber mit Schmutzflecken versehen waren. Der Bursche betrachtete diese kurz, traute sich aber nicht ihnen in die Augen zu schauen. ?Es tut mir leid!“, kam es schlie?lich aus seinem Mund. ?Ich werde dafür sorgen, dass man euch verschont.“ Nun erhob sein Vater die Stimme: ?Wie überaus gütig! Wei?t du, was mir lieber w?re? Wenn du meinen Sohn zurück zum Leben bringen würdest! Vielleicht kannst du das auch mit deiner Hexerei. Oder nicht?“ Wenzel war baff. Seine Verbündeten im Raum begannen beim Vernehmen solcher Umgangst?ne mit ihrem Erkorenen grimmige Gesichter zu ziehen. Kleinlaut und ?ngstlich ?u?erte der Bursche dann aber: ?Es war ein Unfall. Ich hatte niemals vor, so etwas zu tun. So sehr ich auch meine Streitereien mit Aurel hatte, dies Sache war…..“ Er wusste nicht, wie er den Satz beenden sollte.
Bertold entgegnete: ?Es ist genauso, wie es immer alle gesagt haben. Du bist verflucht, vom Teufel besessen! Allen, mit denen du in Kontakt kommst, bringst du nur Unheil! Da brauche ich nur an deinen armen Lehrer zum Beispiel denken!“ Alarmiert musste der junge Mann hier nachfragen. ?Wer? Was ist mit wem passiert?“ Bertold seufzte und fing dann an zu elaborieren: ?So viel ich mich erinnern kann, hie? er Albrecht. Die Inquisition vermutete, dass er eine Rolle bei deiner Flucht auch eine Rolle gespielt hatte. Du wirst dir ja wohl denken k?nnen, was sie mit ihm gemacht haben.“ Am liebsten h?tte Wenzel jetzt geweint. Er wusste, dass das seine Schuld gewesen war. Er kniete sich am Boden hin und legte sich seine H?nde aufs Gesicht. Dann kam ihm aber noch eine andere Frage. ?Was ist mit Amalie und Peter? Wisst ihr was von ihnen?“ Bertold überlegte einen Moment, erwiderte aber kopfschüttelnd: ?Keine Ahnung, wer das M?dchen ist. Den Jungen haben seine Eltern, soviel ich wei? von der Schule genommen. Irgendwo werden sie sich sicher verstecken.“ Entt?uscht senkte der Bursche sein Haupt. Ihm blieb nur übrig zu hoffen, dass es dem M?dchen gut ging. Wie immer, sprach Hildegard gar nicht und sa? nur da. Wenzel wusste nicht mehr, was er noch sagen sollte. Eine Weile sa?en alle einfach nur stumm herum. Die anderen M?nner setzen sich einstweilen hin.
Dann kam ihm aber eine Sache in den Sinn, die er unbedingt noch wissen wollte. ?Eines wollte ich noch wissen. Wer sind eigentlich meine wahren Eltern?“ Beide warfen ihm einen verwunderten Blick zu, als sie das h?rten. ?Woher….?“ Der Herr schnitt sich selbst das Wort ab. Er weigerte sich zu antworten. Der Magier stand auf und ging zu ihm hinüber. ?Wenn du’s mir nicht sagen willst, kann ich es auch anders herausfinden“, verkündete er und legte seine Hand auf Bertolds Kopf. Er würde nun seine Gedanken lesen. …………..Die M?nner und Hildegard schauten nur interessiert zu was Wenzel da machte. Viel zu sehen gab es dabei aber sowieso nicht.
This book is hosted on another platform. Read the official version and support the author's work.
Als er die Erinnerung, nach der er suchte, gefunden hatte, nahm er wieder die Hand vom Scheitel seines Vaters und wich zurück. Es war eine unglaubliche Enthüllung für den Burschen. Durch diese machte alles nun endlich Sinn. Warum h?tte man denn sonst einen ?Hexer“ wissentlich am Leben lassen sollen? Die K?nigin hatte einfach nicht die Ruchlosigkeit, ihren eigenen Sohn zu t?ten, gehabt. So war die Sache also. Das war der einzige Grund dafür, nein, sogar der einzige Weg, wie ein Zauberer in diesem vom Hexenwahn besessenen Land überleben konnte. War dies nur reiner Zufall oder k?nnte vielleicht doch die Hand Gottes hier im Spiel gewesen sein? Wer wusste es schon? …. Wenzel war nun schwer hergenommen von all dem. Seine H?nde zitterten heftig, sein Kopf r?tete sich und ihm wurde übel. Die Gesamtheit der Dinge war ihm jetzt wohl doch zu viel gewesen. ?Bist du jetzt zufrieden?“, zürnte Bertold. ?Du bist nicht mein wahrer Sohn. Und du wirst es auch nie sein. Trotzdem wollte ich dich ordentlich erziehen, mit Respekt. Ich h?tte dem nie zustimmen sollen!“ Zum ersten Mal stie? ihn jetzt seine Gattin hinein und verwies ihren Ehemann: ?Es reicht!“
In Wenzels Innerem brodelte es aber weiter. Er begann schwer zu atmen. Als das geschah, standen die anderen drei M?nner auf einmal auf und liefen zu ihm. ?Was ist los? Geht’s dir nicht gut, Boss?“, fragte Ferenc mit besorgter Stimme. Der Zauberer spürte, wie der Druck in ihm anfing immer mehr anzusteigen. Oh, nein! Er hatte so eine leise Ahnung, was vor sich ging. ?Weg! Geht aus dem Weg!“, schrie er sie keuchend an. Die drei waren perplex. Der junge Mann versuchte sich von diesen zu entfernen. Er wusste, dass es demn?chst aus ihm heraus explodieren würde! W?hrend er zur anderen Ecke des Raumes lief, begannen seine Augen bl?ulich zu leuchten. Seine zwei Bodyguards blieben stehen, da er ihnen befohlen hatte ihm aus dem Weg zu gehen. An ein paar gro?en S?ulen, die das Gew?lbe stützten, rannte der Bursche vorbei, um die Distanz zu den anderen zu vergr??ern. Die Hitze und der Druck in seinem Inneren wuchsen dabei weiterhin stetig an. In dem Glauben nun weit genug von ihnen entfernt zu sein, kam er dann zum Stillstand. Nur stellte er dann fest, dass August ihm nachgelaufen war! ?Was machst du?! Verschwinde!“, brüllte Wenzel den Herren an, der keinen blassen Schimmer hatte, was mit Wenzel los war. Dann geschah es. Die aufgestaute Magie drang aus ihm hervor! Der Stabschef wurde von einer starken Druckwelle erfasst und nach hinten katapultiert. Er schlug gegen eine der S?ulen, lie? ein schmerzerfülltes St?hnen aus und fiel dann auf den Boden herunter. Zur selben Zeit zerbarsten die n?chstgelegenen Fenster durch die telekinetische Welle.
Was für ein Desaster! Brahm und Ferenc eilten nun schnell zu August. Wenzel stand noch einen Moment von seinem ?Ausbruch“ da und konnte nichts machen. Unversehens h?rte er dann eine Stimme in seinem Kopf: ?Zerst?re es. Zerst?re das Amulett!“ Einen kurzen Augenblick war er tats?chlich verlegen dies zu tun, lie? dann aber gleich wieder von dem Gedanken ab. Brahm kam herbei und sah nach August. Er war bei Bewusstsein. ?Hey, wie sieht’s aus? Kannst du aufstehen?“ – ?Naja, ich hab da so ein Piepsen in den Ohren.“ Der Mann versuchte sich aufzurappeln, fiel aber wieder hin. ?Hol einen Arzt!“ Das lie? sich Ferenc nicht zweimal sagen und sprintete los. August war verletzt, aber es würde ihn nicht das Leben kosten. Nachdem ihn der Doktor behandelt hatte, erfuhren sie, dass es den Mann am Bein erwischt hatte. Irgendetwas mit der Sehne oder so, Wenzel konnte sich nicht mehr genau erinnern. Dem Patienten wurde verschrieben, dass er sein Bein die n?chsten Tage schonen und nicht allzu viel belasten sollte. August h?rte nur bedingt auf den Ratschlag. Er hatte Arbeit zu erledigen, jene Arbeit, die sonst keiner übernehmen konnte. Man würde nun meinen, dass er glimpflich davongekommen war und angesichts der Tatsache, dass er mit Pech auch von Wenzels Magie sterben h?tte k?nnen, stimmte das auch. Doch würde sein Bein nie mehr dasselbe sein. August würde künftig immer am rechten Bein hinken.
Dies war jetzt das zweite Mal gewesen, dass Wenzel so etwas passiert war. Er entschuldigte sich mehrmals bei August, welcher ein erstaunliches Ma? an Verst?ndnis für die Umst?nde zu haben schien. Dennoch fühlte sich der Bursche schuldig. Er war überzeugt davon, dass diese ?Magieausbrüche“ mit seinen Emotionen zusammenhingen. Es gab keine andere Erkl?rung für ihn. Wenn er nur mehr über Magie wüsste…. In dem Moment erinnerte er sich wieder, dass er die Bibliothek dieser Stadt einmal besuchen hatte wollen. Bald. Was seine ?Eltern“ anging, wies er August darauf hin, dass er diese wieder gehen lassen sollte. ?Soviel ich wei?, sind die Althuns brennende Anh?nger der Alethischen Kommune. Ich glaube nicht, dass wir sie so einfach ungeschoren davonkommen lassen k?nnen!“ Eine Weile argumentierte Wenzel mit ihm. Er musste hier beharrlich bleiben! Dennoch war, das Beste, was er am Ende erreichte, dass deren Leben verschont blieben und man sie einsperren würde. Vielleicht würde er in der Zukunft noch etwas daran ?ndern k?nnen. Allein die Tatsache, dass er gegen August aufgestanden war, war aber schon au?ergew?hnlich für den jungen Mann.