Ihre Majest?t, Gabriela Cornel, sa? auf ihren Thron, ihre Vasallen vor ihr versammelt. Ihr Gesicht war noch deutlich bleicher als sonst und aus ihren Augen stach ein fast schon neurotischer Blick den Anwesenden entgegen, w?hrend sie sich den Bericht zur aktuellen Lage geben lie?. Als der K?nigliche Berater seinen Vortrag beendet hatte, verneigte er sich nochmals. Nerv?ser Schwei? tropfte von dessen Stirn herab. Der Zorn und Gram Ihrer Hoheit war unverkennbar. Dies war wenig verwunderlich, da sie soeben Kunde vom Fall Meglarsbrucks bekommen hatte, der gr??ten Stadt des K?nigreichs und im Endeffekt sogar des Bundes. Botenv?gel waren aus allen L?ndern Ordaniens gekommen, die Nachrichten brachten, dass die Melgaristen überall riesige Aufst?nde angezettelt hatten. Einige St?dte waren in deren H?nde gefallen, aber definitiv nicht ann?hernd alle. Filden hatte beispielsweise die Rebellion abschmettern k?nnen und dort wurden manche von deren Anführern sogar vernichtet. Die gr??ere Zahl der St?dte im Westen des K?nigreichs waren auch unter ihrer Kontrolle geblieben. Andererseits hatte sich v?llig unerwartet der Fürst Cislimesiens auf die Seite der Rebellion geschlagen.
Und dann war da natürlich die Hauptstadt, Greifenburg, in der sie auch den gro?en Sprung wagten. Jedoch war der Herrschaftssitz gut abgesichert und hatte die Anzahl der Truppen, die hier stationiert waren, sogar noch erh?ht und seine M?nner nicht in das Heer, welches Etzel nun anführte eingespeist. Der Putschversuch der M?chtegern Revolution?re war hier abgeschmettert worden und alle von denen, die versuchten den Palast zu stürmen oder die Stadttore zu ?ffnen, waren eliminiert worden. Vor den Mauern der Stadt entwickelte sich nun allerdings etwas ganz anderes. Es sah so aus, als würden die Melgaristen Feldlager in Sichtweite der Stadt bauen, um diese zu belagern! Dies würde ein monumentales Unterfangen werden, denn genau für den Zweck, so etwas standzuhalten, waren die Verteidigungsanlagen der Stadt konzipiert worden. Nichtsdestotrotz sah die Lage düster aus. In den l?ndlichen Gebieten Ordaniens hatten nun gro?e Rebellionen begonnen. Die Bauern standen auf und immer mehr von ihnen vertrieben oder lynchten sogar ihre Lehensherren. Es herrschte totales Chaos!
Vorerst herrschte Schweigen im Thronsaal und die Dame blickte nur wortlos auf ihre Untertanen hinunter. Die Spannung war schon direkt greifbar. Dann ergriff sie schlie?lich das Wort: ?Wohl denn, wir werden wohl ein paar drastische Ma?nahmen ergreifen müssen. Nehmt unverzüglich Kontakt zu Feldmarschall Etzel auf und schickt ihn zurück zur Hauptstadt. Wir haben hier nicht die Truppenst?rke, um eine Belagerung zu durchbrechen, aber mit dem Heer, das er ausgehoben hat, ist es garantiert m?glich. So viele Mann haben die ?M?rtyrerbrigaden“, wie sich diese Ketzer nennen, nun auch nicht.“ Ihr Berater erhob dann nach kurzer Pause die Stimme: ?Eure Majest?t, es w?re t?richt von uns, keine Vorkehrungen für eine sichere Flucht aus Greifenburg zu treffen. Obgleich ich natürlich der Meinung bin, dass die Stadt standhalten wird, so will ich doch nicht, dass Ihr hier seid, w?hrend die Stadt aushungert.“ – ?Keine Sorge!“, wies sie den Mann hin. ?Die Aufst?ndischen haben noch nicht mal begonnen die Stadt zu umschlie?en. Au?erdem haben wir einen geheimen Gang, den wir als Fluchtweg aus der Stadt benutzen k?nnen, falls du dich noch erinnern kannst.“
?In der Tat, Eure Hoheit! Ich würde nur empfehlen rein aus Vorsichtsgründen jetzt schon die Hauptstadt zu verlassen. Sein Vorschlag erntete einen b?sen Blick. Sie gab Kontra: ?Nein, wir warten noch ein wenig. Es gibt noch etwas, das ich vor unserer Abreise erledigen muss.“ – ?Wenn der Zeitpunkt gekommen ist, werde ich Euch Geleit geben“, verhie? Gawein, der auch anwesend war. Sie bedankte sich bei ihm für seine Treue, woraufhin dieser selbstgef?llig l?chelte. Guntram der neben diesem stand, prustete da in Ver?rgerung über dessen Verhaltensart aus. Dann überlegte sie noch kurz und fügte wichtigerweise hinzu: ?Au?erdem soll ein Aufruf zum Krieg an alle K?nigreiche und L?nder des Bundes versandt werden. Die fünf Bundesritter seien herbeigerufen, um unser aller Zukunft zu verteidigen!“ – ?Jawohl, Eure Majest?t!“, antworteten die Versammelten, wie brave Zinnsoldaten.
An diesem Morgen wurde Wenzel das erste Mal in diesem Jahr von Vogelgezwitscher, das von drau?en kam, geweckt. Das hob sogleich sein Gemüt und voll Elan sprang er auf und bereitete sich auf den Tag vor. W?hrend er sich dann auf dem Weg zu August begab, der sich im Büro des ehemaligen Bürgermeisters eingerichtet hatte, lief er Leuten über den Weg, mit denen er nicht gerechnet hatte. Ausnahmsweise war es eine angenehme überraschung für ihn. In der Empfangshalle standen zwei hübsche Damen, deren Namen Irnfrid und Petra waren. Die beiden, die jeweils Partner von August und Theodor waren, hatten sich nun, da die Stadt unter ihrer Kontrolle war, auch wieder bei ihnen eingefunden. ?Hallo, Wenzel!“, rief die überschw?nglich freudige Irnfrid ihm zu, als sie ihn entdeckte, und winkte ihn zu sich hinüber. Als er zu ihr kam, drückte sie den Burschen herzlich an sich. Wie immer strahlte sie eine warme Herzlichkeit aus. Petra hingegen stand nur da und begrü?te ihn in einfachen Worten. Sie machte, warum auch immer, einen genervten Eindruck. Dann fragte ihn Petra: ?Wo kann ich August finden?“ – ?Im ersten Stock. Du musst den Stiegenaufgang dort drüben hoch, dann links, dann den Gang runter und die fünfte Tür rechts gehst du bei der gro?en Türe hinein.“ – ?Klingt kompliziert“, kommentierte sie seine Ausführung schnippisch. Die Frau ging gleich alleine los, um ihren Mann zu sehen.
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Irnfrid streckte unterdessen ihren Kopf in alle Richtungen aus und bewunderte die intrikat verzierten Decken des riesigen Palastes. Es schien ihr gut zu gehen. Der junge Mann blieb derweil bei ihr stehen, da er sie fragen wollte, wie es ihr geht, doch wollte sie nicht bei ihrem Betrachten der Freskos st?ren. Einstweilen war Petra auf ihrem langen Weg die gefühlten zehntausend Stiegen in den Stock hinauf. Als sie dann das Zimmer ihres Ehemannes erreichte, kam ihr gerade Brahm aus diesem heraus entgegen. Er hatte soeben den Besuch Wenzels in der gro?en Stadtbibliothek mit ihm abgesprochen. Alles war gekl?rt.
Sie ging, ohne zu klopfen, einfach hinein. Als August sie erblickte hellte sich gleich seine Stimmung, wenn auch nur kurz, auf. ?Schatz, wie sch?n, dass du jetzt auch da bist!“ Er wollte aufstehen, erinnerte sich dann aber an seinen kaputten Fu?. Auf seinem Stuhl sitzenbleibend sprach er: ?Und wie geht’s dir?“ – ?Ganz okay“, entgegnete die Dame kurzerhand. Sie hatte sofort erkannt, dass etwas nicht ganz stimmte. ?Wieso stehst du nicht auf und gibst mir einen Kuss?“ Nerv?s antwortete August, der auf so etwas nicht vorbereitet war: ?Ich kann dir doch auch einen Kuss auf die Hand geben, oder? So wie es einer edlen Dame gebührt.“ Petra war jetzt umso stutziger und fragte direkt drauf los: ?Was ist los? Sag’s mir.“ Der Stabschef seufzte und stand dann auf. Als er ihr zeigte und erkl?rte, was passiert war, konnte man anfangs eine verwirrte Bestürztheit auf ihrem Gesicht vernehmen, die aber sehr schnell zu Zorn wurde. Er versuchte sie zu beruhigen: ?Das wird sich schon geben, mach dir nicht so viele Sorgen.“ – ?Wir wissen beide, dass das nicht stimmt, August!“, widersprach sie ihm sogleich. Infolge kam nichts mehr von ihm. Er wusste auch, dass sein Bein nicht mehr werden würde. ?Ich verstehe das nicht. Habt ihr den Jungen nicht unter Kontrolle oder was ist los?“, beschwerte sich seine Frau nun. ?Was geschehen ist, ist geschehen. Ich kann es sowieso nicht ?ndern. Au?erdem war es ja nicht mit Absicht.“ – ?Das wei?t du nicht. Du hast keine Ahnung von Magie.“ Der Mann schwieg daraufhin kurz, antwortete dann aber: ?Gib den Dingen Zeit. Alle Dinge kommen mit der Zeit.“ Was auch immer er damit meinte…
Brahm schritt geschwind die Treppen hinunter. Dann sah er wie Wenzel, Ferenc und Irnfrid beisammenstanden und plauderten. ?Also, Wenzel, wir alles ist besprochen. Wir k?nnen gleich aufbrechen, wenn du willst.“ Der Zauberer antwortete auf seine typisch unsichere Weise: ??h, ja, okay.“ Die drei M?nner machten sich dann gleich auf. Sie gingen hinaus an die frische Luft und stellten erfreut fest, dass es der erste Tag war, der relativ warm war. Der Frühling hatte endlich begonnen und das Leben kehrte spürbar in die Natur zurück. Sie sattelten ihre Pferde und ritten die breiten Alleen der Kaiserstadt entlang. Ihr Zielort war ohnehin nicht weit entfernt. Die Stra?en waren nicht unbedingt leer, aber sie waren viel weniger gesch?ftig als sonst, und die Leute, die man sah, waren sehr oft Soldaten, die die Stadt patrouillierten. Auf dem Weg zur Bibliothek fielen sie niemandem besonders auf, da sie noch keine Art von Erkennungszeichen, Flagge oder Wappen hatten, welches Wenzel als den Erkorenen erkenntlich machen würde. Sie ritten bei dem Geb?ude vor und stiegen ab. Auch dieses hatte mal wieder eine relativ hohe Treppe, die man erklimmen musste, um die Einrichtung überhaupt betreten zu k?nnen. ?Warum ist alles hier mit so hohen Stiegen gebaut?“, fragte sich der Bursche da.
Sie betraten das Geb?ude und sahen, dass niemand an der Rezeption war. Somit gingen sie einfach ungeniert weiter hinein. Die ersten Regale, auf die sie trafen, waren mit Büchern über Theologie bestückt. Das interessierte sie schon mal gar nicht. Die Bücher mit beschr?nktem Zugang mussten ohnehin woanders sein, als direkt hinter dem Eingang. ?Wo sollten wir zuerst nachschauen, Brahm?“ – ?Keine Ahnung, gehen wir mal den Aufgang dort hoch. Vielleicht ist ja irgendwo ein Orientierungsplan.“ Als sie die ersten Schritte taten, kam aber aus den Bücherreihen weit hinten eine Stimme hervor: ?Warten sie! Moment!“ Eine mittelalte Dame mit dunklen Haaren und Brille rannte zu ihnen. Nachdem sie es zu ihnen geschafft hatte, sagte sie keuchend: ?Die Bibliothek ist vorübergehend geschlossen! Bitte gehen Sie wieder!“ – ?In dem Fall h?tten sie sie zusperren sollen“, stellte Ferenc logisch fest. Die Dame vermittelte ihn flehendem Ton: ?Ich bitte Sie, gehen sie wieder! Ich muss die Bücher beschützen und kann nicht zul…“ Brahm fuhr ihr scharf dazwischen: ?Der Erkorene wird nicht verweigert werden! Zeig uns, wo ihr die geheime Abteilung mit den Büchern zu Magie habt!“
Die Frau wich ?ngstlich zurück. Sie schaute die drei, einen nach dem anderen, an und lie? sich dann auf die Knie fallen. ?Verzeiht meine Herren. Ich hatte keine Ahnung!“ Das gab Wenzel ein sehr ungutes Gefühl. Er ging daher zu ihr hin und versuchte sie zu beruhigen. ?Bitte, fürchten Sie sich nicht so. Es gibt keinen Grund dafür. Wir haben nichts B?ses im Sinn. Ich will nur Zugang zu den Archiven haben. Ein immer noch besorgter Blick wurde ihm da von ihr zugeworfen. Sie sprach: ?Wie soll ich sagen? Die Bücher, von denen Sie sprechen, sind nicht mehr hier.“ In dem Moment war der junge Mann doch überrascht. ?Was? Wieso?“ – ?Der K?nig hat sie vor vielen Jahrzehnten schon alle abholen und in die Bibliothek in Greifenburg transportieren lassen.“ Der Bursche sinnierte daraufhin kurz. Dann antwortete er: ?Okay, dann wird sich wohl nichts machen lassen. N?chste Station: Greifenburg.“
Nun intervenierte aber Brahm mal wieder: ?Moment, Moment! Ich glaube keine Lüge, dich ich mir nicht selbst ausgedacht habe! Wir werden das ganze Geb?ude durchsuchen, um sicherzustellen, ob das, was die Frau Bibliothekarin gesagt hat, auch stimmt.“ Ferenc stimmte ihm zu und Wenzel konnte nicht wirklich ein Problem darin sehen, auf Nummer sicher zu gehen. Dieses Unternehmen nahm nun viele, viele Stunden in Anspruch. Am Ende kam dabei heraus, dass die Dame die Wahrheit gesagt hatte. Der Erkorene war schon wirklich genervt davon. Dennoch, die Tatsache, dass man so verbissen versuchte, das Wissen zu verstecken, bedeutete, dass es wert war, es zu erlangen.